Die Preisträger des 11. dokKa

dokKa-Förderpreis der Stadt Karlsruhe

Robert von Takashi Kunimoto
Preisgeld 1.500.- Euro

Zwei Männer. Zwei Freunde. Zwei sehr ungleiche Freunde. Filmemacher, der eine, gesund, geborgen, mit Frau, Kindern und Wohnung – der andere obdachlos und vom Leben auf der Straße sichtbar gezeichnet. Also – wenn man denn hinschaut. Und hingeschaut wird in diesem Film, bis an die Grenze dessen, was man sehen möchte: in vollgemüllte Schlafplätze, in eiternden Wunden. Aber auch: in das Leben eines Mannes, der die Pizza, die er sich hat mitbringen lassen, mit dem Filmemacher teilen möchte und seine geschnorrten Münzen an dessen Kinder verschenkt. Denn die sind oft mit dabei, bei den Filmaufnahmen, die sieben Jahre dauerten – werden mit ihnen groß. Und mit dem Wissen: auch Menschen vom sogenannten „Rand der Gesellschaft“ sind Menschen mit Würde, mit Geschichten, sind Menschen, mit denen man sich auch einfach so anfreunden kann. Naja – oder: eben doch nicht. Die Adresse der Familienwohnung bleibt geheim zum Beispiel und am Ende hat der eine Freund einen Film gemacht und der andere ist verschwunden – und vermutlich allein. Wo endet das Aufzeigen sozialer Missstände? Wo beginnt das Ausnutzen zum eigenen Vorteil? Eine Reihe von Fragen bleiben – über Macht, Ethik und Verantwortung im Dokumentarfilm.

Dafür danken wir und möchten den dokKa-Förderpreis der Stadt Karlsruhe verleihen an: „Robert“ und Takashi Kunimoto. Herzlichen Glückwunsch!

Preis für die ausgewählte Hördokumentation

Arschlochmama. Wenn Eltern und Kinder streiten von Karen Muster
Ausstrahlung auf SWR Kultur am 26. Mai 2024 um 14 Uhr

Gereon Wetzel, Michael Lissek, Nils Menrad, Karen Muster

„Es macht einen wahnsinnig beim Zuhören, man möchte da selber raus. Es ist zu eng! Ich finde das mutig, dass du das veröffentlichst. Es ist eine Ohnmachtserfahrung.“ sagt eine männliche Stimme und spricht dabei die Autorin an. Irgendwo war sie da mal, die Idee von einem gelingenden Leben, in allen Belangen: Umfeld, Job und auch eben Familie mit Kindern und so. Und nun steht man allein, zu zweit oder eben zu viert vor dem Scherbenhaufen, aus familären Stressmustern, Durchsetzungsstrategien, Machtgebahren oder schlicht: Streit, Zoff, Stunk. So war das nicht vorgesehen, aber es ist nun mal da. Wöchentlich, täglich bis zur totalen Erschöpfung der Kontrahenten.

Karen Muster führt uns hinab in die schambesetzte Welt des Familienstreits. Voicenachrichten, ein Streittagebuch, ein Fragebogen, ein Beschwerdebüro - geführt von ihren Kindern und immer wieder die schmerzhafte Erkenntnis: Man möchte das Gute und Richtige und befindet sich doch in einer immerwährenden Abwärtsdynaymik. Schonungslos mit sich selbst und den eigenen wie fremdbestimmten Vorstellungen einer Familie zerlegt sie vor unser aller Ohren die Clichees ihres bürgerlichen Milieus. Die kunstvolle Vielstimmigkeit und Montage, das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Materialitäten prägt dieses Hörerlebnis und Eltern wie nicht Eltern sind nach diesem Stück nicht mehr dieselben. Ist das mutig? Nicht nur mutig, sondern auch wichtig.

dokKa-Preis der Ursula Blickle Stiftung

Hinter den Farben von Julia Groteclaes
Preisgeld: 10.000.- Euro

Fabian Tietke, Julia Groteclaes, Nils Menrad

Dokumentarfilme leben von der Begegnung der Zuschauer_innen mit Welten, die außerhalb ihrer Erfahrungen liegen. Im besten Fall wirft diese Konfrontation die Zuschauer_innen jedoch auch auf sich selbst zurück, führt zum Überdenken, zu neuen Einsichten, zum Wiederentdecken vergessener Erlebnisse. Dokumentarfilme leben von der Begegnung mit Menschen vor der Kamera, meist in Selbstaussagen. Der von uns ausgezeichnete Film ist demgegenüber in mehrfacher Hinsicht eine Versuchsanordnung; in der Erzählung, der Verkörperung, selbst und hinsichtlich der Grenzen des Dokumentarischen.

Auf einem Stuhl in einem schwarzen Raum erhält eine gute Handvoll Personen einige Seiten Papier. Die Gruppe beginnt, die Geschichte einer Extremerfahrung zu rekapitulieren. Der Protagonist dieser Extremerfahrung bleibt körperlich abwesend. Während die Personen der Gruppe dessen Geschichte widergeben, dringen eigene Erlebnisse an die Oberfläche. Die Montage lässt die Erzählungen der Personen zwischen Erlebtem und Erzähltem oszillieren und beides sich zu Erfahrungsstrukturen verdichten. In den Zwischenräumen dieses narrativen Gewebes öffnen sich Leerstellen, die Produktionsflächen für die Zuschauer_innen freigeben. Es entsteht ein zunächst kryptisches, produktiv verwirrendes Spiel der Erzählebenen, das sich letztlich als kathartisch erweisen soll.

Wir verleihen den frisch gestifteten und in diesem Jahr erstmals vergebenen Hauptpreis des Festivals, den dokKa-Preis der Ursula Blickle Stiftung, an eine Filmemacherin, von der wir noch viele weitere Filme sehen möchten; wir verleihen den Preis an Julia Groteclaes für ihren Film „Hinter den Farben“.