Lydia Heller und Johannes Nichelmann
Hördokumentation
Am 20. Januar 1990 ist die Mauer schon über zwei Monate gefallen, die SED ist jetzt die SED-PDS und ihr neuer Vorsitz Gregor Gysi, der Staat DDR als solcher existiert aber noch. Ebenso die 17 Mitglieder und Kanditat*innen des Politbüros der SED, des höchsten Parteigremiums. In einer über zwölfstündigen Nachtsitzung wird über deren Verbleib bestimmt – im Ausschluss per Eilverfahren. Nacheinander haben die Mitglieder des Politbüros im Kreuzverhör Rechenschaft abzulegen; die Fragen sind oft scharf, die Angegriffenen verzweifelt, haben sie doch ihr ganzes politisches Leben nichts anderes getan als sich nach der Linie der Partei zu richten. Keine Fotos, keine Protokolle dokumentieren diesen verzweifelten Versuch einer Partei, ihre Relevanz zu behalten, lediglich ein Tonbandgerät läuft mit. Dieses wird, nach 30 Jahren unter Verschluss, zum Jubiläum der Ausschlussverfahren von der Rosa Luxemburg Stiftung und dem Karl Dietz Verlag veröffentlicht und bietet die Grundlage für dieses Hörstück. Während zeitgleich am Werderschen Markt in Berlin darüber debattiert wurde, ob die SED ganz aufzulösen sei, bietet sich hier ein gespenstisches Schauspiel im Kampf darum, wie die Linie einer Partei ausgelegt zu sein hat.
Diese Arbeit wurden beim dokKa Festival 2022 präsentiert: 02.12.0002 00:00 212-1
Diese Arbeit wurden beim dokKa Festival 2022 präsentiert: 02.12.0002 00:00 212-1