Preisträger 2019

"Normalerweise sagt man ja, die Entscheidung ist uns sehr schwergefallen, das war heute aber nicht so. Die Entscheidung war relativ einfach." Mit diesen Worten leitete Esther Buss die Verlesung der Jurybegründung für den Hauptpreis des Festivals ein, den mit 1.500€ dotierten dokKa-Preis der Stadt Karlsruhe.

Verliehen wurde der Preis an Bernd Schoch für seinen Film "Olanda", der in langen, oft dunklen Einstellungen Rumäniens Pilzsammler auf der Suche nach Steinpilzen und bei den Gesprächen um das Auf und Nieder der Preise und die heute gesammelte Menge an Pilzen begleitet. 

Der dokKa-Preis für ausgezeichnete Hördokumentation wurde dieses Jahr an Jürgen Pettinger verliehen, der mit seinem Stück "Mit einem Warmen kein Pardon ─ Der Fall Franz Doms" nicht nur die Geschichte Franz Doms nachzeichnet, der 1944 im Alter von 21 Jahren für seine Homosexualität hingerichtet wurde, sondern auch seine eigene Position als homosexueller Mann in der heutigen Gesellschaft erforscht. Der Preis besteht in einer Ausstrahlung des Hörstücks auf SWR2 am 12.06.2019 um 22:03.

Außerdem sprach die Jury eine lobende Erwähnung für Barbara Eisenmanns Hörstück "Simpel. Transparent. Standardisiert. Baut sich in der EU eine neue Finanzblase auf?" aus.

Der dritte Preis, der im Rahmen des dokKa-Festivals verliehen wurde, war der dokKa-Förderpreis, dotiert mit 500€ und der Herstellung einer digitalen Kinokopie. Der Preis ging an "Trial and Error" von Marie Falke, einem Portrait des Filmkritikers, Fotografen und Filmemachers Gideon Bachmann in den letzten Monaten und Tagen seines Lebens, der Film über ihn, von dem er sich immer gewünscht hat, dass er existiert, wenn auch ganz anders, als er es sich vielleicht erhofft hatte.

Bevor es allerdings zu der dokKa-Preisverleihung ging, ging es zu den Nominierten und Preisträgern des 4. Kurzdokuwettbewerbs, das kurze dokumentarische Hörstücke beinhaltete. Preisträger hier war Johannes S. Sistermanns mit seinem Stück "Wenn Taeter jetzt sagen _._._." über die Inhaftierten des DDR-Regimes, in dem er auch Täter zu Wort kommen lässt.

 

 

Die Jurybegründungen (Jide Tom Akinleminu, Esther Buss, Rilo Chmielorz)

 

dokKa-Preis der Stadt Karlsruhe

Eine faserige Struktur, ein Sternenhimmel, eine Gruppe von Menschen an einem schwach beleuchteten Zeltlager in tiefschwarzer Nacht: Mit Bildern, die schwer fassbar sind, rätselhaft und auf etwas Größeres verweisen, beginnt dieser Film und nimmt uns mit: in die Pilze. Zweieinhalb Stunden begleitet Bernd Schochs "Olanda" Saisonarbeiter – Frauen, Männer, Kinder – in den steilen Hängen der rumänischen Karpaten beim Sammeln von Pilzen und Blaubeeren. Die Arbeit ist hart und der Film zeigt diese Härte. Er zeigt auch Momente von Solidarität, familiärer Gemeinschaft und Selbstbestimmung. Vieles zeigt er auch nicht. Dennoch ist alles da, im Myzel des Films: der ökonomische Kreislauf, die Armut, die Asymmetrie in der Verwertungskette.
So wie Pilz und Baum Allianzen bilden, so sind auch Inhalt und Form von Schochs Film untrennbar miteinander verbunden. "Olanda" macht sich die rhizomatische Struktur des Pilzes zu eigen, spannt unsichtbare Verbindungen zwischen Mikrostruktur und gesellschaftlichen Zusammenhang, verliert Fäden, nimmt andere auf, befreit sich für kurze Zeit sogar mit einem halluzinogenem Bildertrip.
Der dokKa-Preis der Stadt Karlsruhe geht an "Olanda" von Bernd Schoch: Für seinen filmischen Wagemut, seinen Respekt und seine Sensibilität gegenüber den Protagonisten.

 

dokKa-Preis für die ausgezeichnete Hördokumentation

Im Jahre 2019 schreibt die AFD in Sachsen in ihrem Wahlprogramm: "In der Schule soll die Gemeinschaft von Vater, Mutter und Kind als erstrebenswertes Familienmodell vermittelt werden... Werbung für Homosexualität, Gender-Gaga und Frühsexualisierung haben in unseren Schulen nichts verloren."
Ein klare Absage nicht nur an die LGBTI-Gemeinde sondern an alle, die irgendwie anders sind und nicht an dem Modell Kleinfamilie kleben. Homophobe Übergriffe auf offener Straße sind selbst in Schwulenhochburgen wie Berlin keine Seltenheit. Ein hart umkämpfte Freiraum ist in Gefahr. Dieser Freiraum ist unser aller Freiraum.
Vor mehr als 70 Jahren wurde in Wien der 21jährige homosexuelle Franz Doms von einem nationalsozialistischen Sondergericht zum Tode verurteilt. Er galt als "ein völlig haltloser, seinen widernatürlichen Trieben gegenüber machtloser Verbrecher, bei dem von Freiheitsstrafen kein erzieherischer oder abschreckender Erfolg zu erwarten ist." Jürgen Pettinger – selbst schwul – rekonstruiert das kurze Leben des Franz Doms aus Akten-Zitaten und lässt uns spüren "I fell in love with a dead boy!" In einem imaginären, therapeutischen Dialog mit dem "dead boy" reflektiert Pettinger sein eigenes Leben als Schwuler im heutigen Wien. Bei aller Freiheit scheint es so, als sei heute auch in Wien wieder Vorsicht geboten .... So weist das Feature von Jürgen Pettinger über sich hinaus: Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit und muss jeden Tag neu erstritten werden. Der Preis für die beste Hördokumentation geht an "Mit einem Warmen kein Pardon" von Jürgen Pettinger.

 

Lobende Erwähnung Hördokumentation

Nichts scheint simpel – nichts transparent – nichts standardisiert. Verwirrung ist Strategie bei der Kreation eines neuen europäischen Gütesiegels für Verbriefungen. Einer neuen Finanzblase scheinen mit STS Tür und Tor geöffnet zu werden. Barbara Eisenmann führt uns in das Labyrinth der Finanzwelt und zeigt die engmaschige Verzahnung der beratenden Finanzlobbisten mit dem Europäischen Parlament. Verwirrung wird in diesem Feature zum ästhetischen Gestaltungsmittel in einer brillianten, absolut adäqauten Montage. "Simpel. Transparent. Standardisiert. Baut sich in der EU eine neue Finanzblase auf?" von Barbara Eisenmann

 

dokKa-Förderpreis

Sie bewundert ihn und hatte sich bei Archiv-Arbeiten bereits in seine Stimme verknallt. Zunächst eine freundschaftliche Begegnung zwischen jung und alt. Der über Achtzigjährige hat sowieso nichts anderes vor und lässt sich auf die Begegnung ein. Vielleicht spürt er eine letzte Chance, sein eigenes Leben zu verstehen, eine letzte Chance auf Zugehörigkeit und ein zu Hause – vielleicht auch für sein fragmentarisches Archiv. Eine Art von Zusammenarbeit beginnt und seine Lebensgeschichte wird noch einmal aufgerollt.
Neben dem Einblick in die Biografie und die Arbeit des Filmkritikers und Autors Gideon Bachmann, erzählt die Dokumentation "Trial & Error" auf stilistisch strenge und bisweilen emotional brutale Art, über eine zärtliche Begegnung zwischen jung und alt und die gegenseitigen Erwartungen und Hoffnungen.
Dafür geht der dokKa-Förderpreis an Marie Falke für ihren Diplomfilm "Trial and Error".