dokKa Preisträger

Die Preisträger 2021

dokKa-Preis der Stadt Karlsruhe "Walchensee forever" von Janna Ji Wonders
dokKa-Preis für die ausgezeichnete Hördokumentation "Der letzte Tag. Das Attentat von Hanau" von Sebastian Friedrich
dokKa-Förderpreis "Mein Vietnam" von Hien Mai und Tim Ellrich
Preis für die beste KurzDoku "Nach(t)spiel" von Vivien Schütz und Stefanie Heim

Die Jurybegründungen

"Walchensee forever" von Janna Ji Wonders

Heimat ist ein Raum aus Zeit. Über vier Generationen, ein langes 20. Jahrhundert hindurch, schildert der Film eine Familiengeschichte - die Enge eines idyllischen Ortes, der Grund und doch auch Anker jener Suchbewegungen ist, die eine eigene Vorstellung vom Leben und vom Ich entdecken wollen zwischen all den Bildern, die immer schon gemacht sind. Von Müttern und Töchtern, Großmüttern und Enkelinnen. Weil das Bildermachen unter den Frauen früh gepflegt wurde, ist der Film auch eine Mediengeschichte: Fotos, Bewegtbild, Tonaufnahmen aus scheinbar längst vergangener Zeit. Der umsichtige, ungemein souveräne Schnitt ordnet das Blättern in diesem Familienalbum so entschieden wie klug. Die Regisseurin hat so nicht nur den Zugang zu ihrem Sujet, sondern gewinnt dadurch auch den fürs Erzählen nötigen Abstand.

Der Hauptpreis 2021 geht an Janna Ji Wonders für "Walchensee forever".

Matthias Dell

 

"Der letzte Tag. Das Attentat von Hanau" von Sebastian Friedrich

Wie nah können uns die Stimmen von Menschen  kommen? Es sind schlichte Alltagsbeschreibungen, die uns die Protagonisten geben. Sie machen Quatsch. Sie chillen. Sie schauen Fußball. Sie träumen. Sie erzählen von einem Tag, der ganz normal begann.
Diese einfachen Erzählungen kommen uns sehr, sehr nah und entfalten ungeahnte Wucht, denn sie steuern erbarmungslos auf den Punkt zu, den wir bereits vorab aus den Nachrichten kennen. 

Am 19. Februar 2020 werden neun von ihnen ermordet. Wir haben davon in zahlreichen Medienberichten gehört. Da gibt es einen rassistischen Täter und seine Opfer. Die Hördokumentation macht uns klar, dass es so einfach nicht ist. Es reißt die Grenzen zwischen uns und dem Geschehen ein. Und es verschiebt den Horizont, weil es konsequent die Perspektive wechselt und ausschließlich diejenigen fragt, die sonst kaum zu Wort kommen: die Betroffenen selbst - die Nachbarn im Viertel, die Familien, die Freunde.

Und das ist ungeheuer erkenntnisreich. Weil klar wird, dass der Rassismus, die Benachteiligung und Ausgrenzung, mit denen sie leben müssen, Strukturprobleme sind und die Morde lediglich die Spitze von etwas sind, das viel tiefer liegt. Und dass es eben nicht damit getan ist, die Taten des Mörders zu verurteilen, sondern dass sehr viel mehr passieren muss. In unseren Köpfen. In unserem Bewusstsein. In unserer Gesellschaft. Und dass wir alle gefragt sind. Vielen Dank für dieses großartige und wichtige Stück, Sebastian Friedrich! 

Marie von Kuck

 

"Mein Vietnam" von Hien Mai und Tim Ellrich

"Ein jeder Mensch hat seine Geschichte, die es wert ist, gekannt zu sein."
Dieses Zitat des Dichters Friedrich Maximilian von Klinger kommt mir in den Sinn. So geht es mir mit dem Film, der über eine einfache vietnamesische Familie in Deutschland erzählt. Mutter, Vater, an wenigen Stellen kommt der Sohn und die Tochter vor, Letztere ist eine der beiden Filmautoren.
Die Filmemacher dokumentieren den monotonen Alltag des Paares Bay und Tam, die abends als Reinigungskräfte in Büros arbeiten und tagsüber die Zeit mit Kochen, Essen und vor allem vor dem Bildschirm verbringen. Die Mutter lernt Deutsch.
Das Paar lebt schon lange in Deutschland, aber ihr Herz ist in Vietnam. Der Schlüssel dafür ist ein Laptop mit einem Internetanschluss. Er ermöglicht jede freie Sekunde bei den Verwandten und Freunden in Vietnam zu sein. Dabei werden nicht nur Nachrichten und Musik, sondern die Renovierung des Hauses und die Beerdigung der Schwester online übertragen.
Allmählich eröffnet sich im Film die Gefühlswelt des Paares und an einigen Szenen erahnen wir die Zerrissenheit der beiden. Hier geht es nicht um die Heimat, es geht darum sich in der Fremde für eine unbekannte Zeit, vielleicht für immer, zu arrangieren.
Durch die verpixelten Laptop-Bilder dringt zu uns ein kleines Stück Vietnam irgendwo aus einem Wohnzimmer in Deutschland. Ein Puzzle, das uns das heutige Deutschland mit seinen vielen Färbungen näher legt und das Bild davon vollkommener macht.
Der Förderpreis geht an Regisseurin Thi Hien Mai und dem Regisseur Tim Ellrich.

Irina Heckmann

 

Die Jury

Vergeben wurde die Preis von unserer Jury die während des Festivals anwesend war.

 


Matthias Dell
ist Film- und Medienkritiker und arbeitet als freier Mitarbeiter für das Deutschlandradio, ZEIT-Online, Cargo und andere. Zuletzt erschien von ihm: "Duisburg – Düsterburg. Werner Ružička im Gespräch" (Verbrecher-Verlag, 2018, gemeinsam mit Simon Rothöhler).

Marie von Kuck wurde 1971 in Leipzig geboren und begann dort 1987 eine Berufsausbildung als Maschinen- und Anlagenmonteurin mit Abitur. Wenig später wurde sie in der Oppositionsbewegung aktiv und brach schließlich in den Wende-Wirren 1989 ihre Ausbildung ab. 
1990 ging sie nach Berlin. Nach einigen Aushilfs-Jobs in Psychiatrie und Pflege absolvierte sie  eine Ausbildung zur Ergotherapeutin. 1997 studierte sie an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Puppenspiel und absolvierte 2017 eine Ausbildung zur Theatertherapeutin. 
Seit 2000 arbeitet sie als freie Autorin. Für den Rundfunk schreibt sie Reportagen, Hörspiele und Radio-Features. Marie von Kuck hat eine Tochter und lebt in Berlin.

Irina Heckmann wurde 1980 in der Region Omsk in Russland geboren. 1999 absolvierte sie am Kunstlyzeum der Stadt Omsk eine Ausbildung zur Malerin. 2001 folgte die Emigration nach Deutschland. Sie studierte an der FH Münster in den Bereichen Malerei und Druckgrafik, später an der FH Dortmund Film. Sie arbeitet als freischaffende Filmemacherin im Bereich Dokumentarfilm und als Medienpädagogin mit Jugendlichen und Erwachsenen. Bei ihren eigenen Filmen übernimmt sie Regie, Kamera und Schnitt selbst.